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Die Manifestation des Präventionsparadox

Als die Covid-Pandemie Deutschland erreichte, reagierten die Menschen sehr unterschiedlich auf die neue Realität. Während ein großer Teil der Gesellschaft zur Solidarität aufrief und einige Menschen begannen, Unterstützungsgruppen zu organisieren, verfielen andere Verschwörungserzählungen.

Ganz an der Spitze der sich formenden Bewegung standen Esoteriker*innen. Seit Jahrhunderten ist Esoterik ein Teil der deutschen Gesellschaft. Diejenigen, die bereits in der Szene aktiv waren, sammelten sich und eine sehr unterschiedliche Menge demonstriere in ganz Deutschland auf Plätzen – getrieben von Irrationalität.

In Hannover nahmen mehr als 1000 Menschen an den ersten Demonstrationen teil. Zunächst war unklar, wer bei den Protesten, eine führende Rolle einnehmen würde. Die ersten Kundgebungen waren von einer allgemeinen Unzufriedenheit, mit dem Umgang mit der Krise geprägt. Doch schnell witterten Impfgegner*innen, Rechtsextreme und vor allem so genannte „Reichsbürger“ die Chance. Das Publikum applaudierte wilden Verschwörungsmythen rund um die Ursachen der Pandemie. Historisch gesehen ist Antisemitismus in Zeiten der Krise immer auf dem Vormarsch.

Für „taz – die tageszeitung“ sind David Speier und ich einer der prominentesten Organisatorinnen in Niedersachsen gefolgt, der homöopathischen Ärztin Carola Javid-Kistel. Die Polizei durchsuchte ihre Praxis, nachdem sie angeblich Blanko-Atteste verteilt haben soll. (Razzia bei Ärztin der Leugner-Szene: Spontandemo mit Wutrede – taz, 22.1.21) Im Laufe der Zeit wuchs die Bewegung und demonstrierte in fast allen größeren deutschen Städten. Auch in der Bundeshauptstadt Berlin. Im Sommer 2020 versuchten Reichbürger*innen und so genannte Querdenker*innen das Reichstagsgebäude zu stürmen. Vor allem in Ostdeutschland wurden die Demonstrationen durch die allgemeine Unzufriedenheit und das Gefühl von Teilen der Gesellschaft, durch die parlamentarische Politik nicht vertreten zu werden, angeheizt. Ähnliche Demonstrationen wie die PEGIDA-Kundgebungen finden bis heute in vielen ostdeutschen Städten statt.

Zwischen den organisierten Faschist*innen gibt es zahlreiche Menschen, die Teil der Bewegung sind und Verantwortung und Einfluss in der Gesellschaft haben. Im Laufe der Zeit radikalisierte sich die Gruppe und einige aus der Szene verübten gewalttätige Angriffe und töteten sogar Menschen. Die Entwicklung führte zu Polizeirazzien. Ziel einer solchen war Michael Fritsch, ein (ehemaliger) Polizeibeamter aus Hannover. Zusammen mit David Speier haben wir Fritschs Online-Aktivitäten unter die Lupe genommen. In der Messaging-App Telegram phantasierte der inzwischen suspendierte Polizeibeamte über einen gewaltsamen Staatsstreich. („Querdenker“ bei der Polizei: Schutzmann träumt vom Umsturz – taz, 25.5.21; Klage gegen Querdenken-Polizist: Umstürzler „mit Herz und Hirn“ – taz, 29.5.21) Seit Dezember 2022 sitzt Fritsch in Untersuchungshaft. Ihm und einigen anderen wird vorgeworfen, einen Putsch geplant zu haben. Als Polizist war er für die Sicherheitseinschätzung der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover zuständig. (Liberale Jüdische Gemeinde in Hannover: Allein gelassen – taz, 18.5.21)

Im Laufe der Jahre der Pandemie veränderte sich die Szene mehrmals. Im Jahr 2022 versammelten sich plötzlich in ganz Niedersachsen Menschen zu sogenannten „Spaziergängen“, bei denen es sich eigentlich um Demonstrationen handelte, die die versammlungsrechtliche Auflage zum Tragen einer Maske bei Protesten umgehen sollten. Rechtsextreme Demos in Niedersachsen: Als Spaziergang getarnt – taz, 20.12.21) In Braunschweig habe ich mich verkleidet und undercover mit den Teilnehmer*innen einer dieser Demonstrationen gesprochen: Proteste gegen Corona-Maßnahmen: Wer läuft denn da? – taz, 13.1.22

Obwohl die Covid-Beschränkungen in Deutschland aufgehoben worden sind, bleibt der Bodensatz der Bewegung erhalten. Es finden immer noch Demonstrationen statt, doch das Thema hat sich längst gewandelt. Mittlerweile protestieren die Gruppen meist gegen die Unterstützung der Ukraine und für die Unterstützung Russlands. Andere phantasieren, dass es keinen Klimawandel gäbe. Die Folgen dieser rechten Massenproteste werden uns noch lange begleiten.

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